Digitales Weben

Die Bröselmaschine in HaslachDass die Lochkartentechnik des Jacquardwebstuhls für die Entwicklung der ersten Computer entscheidend war, ist mittlerweile bekannt. Weniger bekannt ist, dass die zugrundeliegende duale Arithmetik schon immer ein Charakteristikum der Weberei war, und dass diese Arithmetik in der Antike die reine Mathematik begründete. Im neuen Heft weben+ wird diese Geschichte erzählt und illustriert. Dort gibt es auch Fotos der Bröselmaschine: einer digitalen Webstuhlsteuerung, die wesentlich älter ist als die Erfindung Jacquards.
Ellen Harlizius-Klück: Arithmetik und Weberei – Von Penelopes Webstuhl bis zum Computer, in: weben+, 55. Jg., Heft 2/2011, S. 10-17. Einzelheft für 9€ zuzügl. Porto, zu beziehen über: Inge Seelig, Werkhof Kukate, 29496 Waddeweitz.

Am Saum der Mathematik

Snake KolamAm 18. Januar halte ich an der Universität Frankfurt einen Vortrag über die Frage, ob und wie Mathematik und Kultur zusammenhängen. In Frankfurt arbeiten Mathematikdidaktiker und Kulturanthropologen zusammen in einem Lehrprojekt, das sich mit der kulturellen Macht mathematischer Darstellungen auseinandersetzt. Ein Beispiel: Nebenan sieht man einen computergenerierten snake kolam. Kolams sind Zeichnungen aus Reismehl, die in Südindien von den Frauen täglich neu auf die Schwelle des Hauseingangs gezeichnet werden (vgl. Marcia Ascher). Allerdings ganz ohne Computer. Die Zeichnungen wurden in der Mathematik zur Zeit der Fraktale in den 90er Jahren populär (das Script zum Erzeugen der Kurve gibt es im Internet bei Paul Burke).

Der oben gezeigte snake kolam entspricht exakt der Kurve der Naht, die den Nine Patch Quilt zusammenhält, den ich in den 90er Jahren gemacht habe, um zu verdeutlichen, dass schon in traditionellen textilen Arbeiten die Algorithmen stecken, die erst später in der Mathematik formalisiert werden. Der Quilt ist 150×150 cm groß und wird im Mittelpunkt der Ausstellung “Textile Matrix” stehen, die ich für das Museum für Abgüsse in München vorbereite. Die meisten Beispiele im Frankfurter Vortrag werden aus der Mathematikgeschichte stammen: Mittwoch, 18. Januar 2012, 18 Uhr, Robert-Mayer-Straße 10 (Raum 711). Hier folgen Titel und Abstract.

Objektivitätsanspruch und symbolische Macht.
Eine Spurensuche am Saum der Mathematik.

Seit Platon wird zwischen reinem und angewandtem Wissen unterschieden und die Mathematik als Paradebeispiel reinen Wissens tradiert. Während die kompromisslose Abspaltung der Mathematik von alltäglichen Handlungen in der Antike deren Anspruch auf universale Gültigkeit begründete, scheint es heute eher umgekehrt zu sein: “Alles ist Zahl!” ist eher der Schlachtruf derer, die die Mathematik mit der Praxis verzahnen wollen, um so genannte Schlüsseltechnologien voranzubringen: “Ohne Mathematik würden wir immer noch hinter dem Mond leben, anstatt auf ihn zu fliegen.” (Deutschlandradio Kultur im Jahr der Mathematik 2008)

Doch es gibt Gebiete, in denen dieser Geltungsanspruch mit der impliziten Dimension praktischen Wissens kollidiert. Solche Fälle “destruktiver Analyse” (Michael Polanyi) scheinen marginal und unerheblich und sind kaum in der Lage, den Objektivitätsanspruch ins Wanken zu bringen, der mit der Mathematik verbunden wird. Der Vortrag arbeitet anhand solcher Beispiele heraus, worauf dieser Objektivitätsanspruch historisch beruht, welche Wissensformen er marginalisiert und stellt zur Diskussion, ob nicht gerade am Rand dessen, was wir Mathematik nennen, erst zu verstehen ist, wie und warum Mathematik funktioniert.

Pepita kommt

Bildschirm mit Pepita-MusterIm Sommer 2012 zeigt das TuchmacherMuseum in Bramsche eine Ausstellung zu Pepita- und Hahnentritt-Mustern. Das schwarzweiße Stoffmuster ist derzeit sogar auf Taschenmessern und Fingernägeln zu sehen. Wegen seiner Moiré-Effekte ist Hahnentritt beim Fernsehauftritt tabu, es sei denn, man macht es wie Lady Gaga und trägt die gemalte Variante.

Die Ausstellung soll nicht nur erklären, warum der Moiré-Effekt entsteht. Sie zeigt auch die Entstehung des Musters selbt und zeichnet seine Verbreitung nach. Zusammen mit Annette Hülsenbeck erarbeite ich zur Zeit ein Konzept, suche Bilder und Filmschnipsel, Texte und Meinungen und – Musiknoten. Im Jahr 1853 hat Joseph Doppler drei Stücke für die spanische Tänzerin Pepita geschrieben, nach der das Stoffmuster benannt ist: eine Polka, eine Redova und einen Galopp. Und nach den Noten für Polka und Redova suche ich noch.